Haar mit überraschender amerikanischer Pitcherverstärkung
Ein Interview des Saisonmagazins der Disciples mit Headcoach Ingo Leven zu den Hintergründen des aufsehenerregenden Neu-Zugangs im Bundesliga-Team.
Mit 17 Strikeouts und einem No-Hitter gegen Karlsruhe – alles andere als ein offensiv leicht zu kontrollierender Gegner in der Softball Bundesliga Süd – hat Morgan Melloh einen richtig beeindruckenden Start hingelegt. Die Disciples sprachen mit dem Trainer Ingo Leven über die Hintergründe zu diesem Transfercoup im unmittelbaren Vorfeld der Saison.
Frage: Dürfen wir zu Anfang aus der „Strikezone“ – dem Saisonmagazin der Disciples – über das Softball Bundesliga Team über das dieses Jahr anstehende Entwicklungsjahr zitieren: „Auch ist im Bereich Pitching angedacht, in 2012 so weit wie möglich ohne ausländisches Pitching auszukommen.“
Ingo Leven (lacht): Diesen Einstieg ins Gespräch habe ich erwartet. Aber das ist auch in Ordnung. Seit 2009 hatten wir nicht mehr nach einem Pitchingimport gesucht, so dass die Überraschung angesichts einer solchen Verpflichtung eh groß ist. Außerdem hatten wir für 2012 ins Auge gefasst, gänzlich auf ausländisches Pitching zu verzichten. Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.
Frage: Warum ist das der Fall?
Ingo Leven: Nun – da sind zum einen die längere krankheitsbedingte Pause, die bei Martina Zimmermann in der Preseason leider zugeschlagen hatte. Mit ihr, Steffi Graml-Huber und Elisa Diefenbach haben wir drei Werferinnen am Start, die in der Lage sind, uns gegen jeden Gegner mehr als nur im Spiel zu halten. Um aber für die Post-Season gut vorbereitet zu sein, wollten wir möglichst viele Innings – auch und gerade im zweiten Spiel – mit unseren deutschen Werferinnen bestreiten.
Frage: Und nun kommt alles anders?
Ingo Leven: In einem gewissen Sinne schon. Unsere vielfältigen Handlungsoptionen hatten sich schon im Trainingslager in Rimini angedeutet. Mit Mandy Phillips haben wir eine Spielerin am Start, die hier jederzeit im Notfall in der Lage ist, einzuspringen. Die letzten beiden Jahre (Anm. d. Red.: Bilanz in der regulären Saison mit 11-3, ERA < 2.00) haben das eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Doch letzten Endes ist es auch für Mandy besser, zu wissen, dass sie zum Saisonauftakt nicht gebraucht wird.
Frage: Und wie kam die Jungfrau nun zum Kinde oder die Disciples zu Morgan Melloh?
Ingo Leven (grinst): Genug der Vorrede – das mit Morgan nennt sich wohl Zufall. Auf dem Weg ins Trainingslager nach Rimini hat sich bei Steffi Graml-Huber eine alte Bekannte gemeldet – Yasmin Mossadeghi (Anm. d. Red.: Ingo als Coach und Steffi als Spielerin wurden 2004 zusammen mit Yasmin Deutscher Meister mit Freising). Sie hatte Kontakt mit einer Organisation im Umfeld der japanischen Profiliga …
Frage: Was hat nun eine japanische Profiliga mit der Neuverpflichtung zu tun.
Ingo Leven: Immer mit der Ruhe – das kommt ja jetzt schon. Für Morgan Melloh war eigentlich schon für dieses Jahr geplant, dass sie in Japan als Pitcher in der Profiliga zum Einsatz kommt. Doch leider ging das mit dem Visum schief und nun standen sowohl Morgan als auch das japanische Team vor der Frage, wie weiter in 2012.
Frage: Und da kommt Haar ins Spiel?
Ingo Leven: Genau! Auf der Suche nach einer sinnvollen Herausforderung für Morgan ging nun die Suche weiter. USA und Profiliga war nichts wirkliche Neues (Anm. d. Red.: Morgan hat letztes Jahr bereits als 7. Pick 2011 in der NPF für die Diamonds gespielt). Also war in den USA die Idee geboren, mal etwas außerhalb der USA zu suchen – am besten etwas in einem nicht-englischsprachigen Land.
Frage: Und dann wurden es die Disciples?
Ingo Leven: Nicht ganz so schnell. Yasmin hatte Kontakt zu der US-amerikanischen Organisation, die sich um die Transfers der US-Amerikanerinnen nach Japan kümmert und die Verantwortlichen dort wussten, dass Yasmin bereits in Europa rumgekommen war (Anm. d. Red.: Nach 2004 in Freising war Yasmin 2005 auch noch in Russland mit Caroussel unterwegs). Also war der Weg nicht weit zu Yasmin. Die ihrerseits hatte weiterhin guten Kontakt mit Steffi, die in den letzten Jahren immer wieder mit Yasmin zu tun hatte (Anm. d. Red.: So hat Steffi 2006 / 2007? einen Aufenthalt in den USA absolviert, bei dem sie auch ein wenig mit Yasmin trainiert hat, die zu der Zeit Collegecoach war).
Frage: Und da stand die Anfrage für Euch im Raum?
Ingo Leven: Dann irgendwo schon. Hilfreich und für uns gesprochen hat, dass wir offen waren, Morgan einsetzen zu wollen und das auch zeitlich begrenzt.
Frage: Das heißt Morgan kommt nicht für die ganze Saison?
Ingo Leven: Das ist richtig. Morgan wird Anfang Juli wieder zurück in die USA gehen. Aber dennoch war das Ganze für uns interessant. Mit der Prager Softball Woche Ende Juni spielen wir ein richtig perfektes Turnier, um Morgan eine Plattform zu bieten, auf der sie ihr Können unter Beweis stellen kann.
Frage: Und damit stand der Deal mit Morgan?
Ingo Leven: Das Ganze lief zwar nicht ganz so schnell ab – aber am Ende kam ein Deal zustande.
Frage: Für einen kurzen Zeitraum – gerade mal etwas länger als zwei Monate – ist das Ganze aber schon relativ viel Aufwand und mit ganz schönen Kosten für die Disciples in Zeiten schmaler Budgets verbunden (…)
Ingo Leven (lacht): Genau das ist das eigentlich Unglaubliche an der Sache – die Kosten halten sich für uns sehr stark in Grenzen. Denn von Anfang an stand im Raum, dass die Flugkosten von den Japanern getragen werden als eine Art Unterstützung einer Auslandserfahrung von Morgan im Vorfeld ihres Wegs nach Japan. Und da sich somit die Kosten arg in Grenzen halten würden, war es für uns „nur“ noch notwendig, eine Unterkunft für sie zu finden. Im Verein gefragt, stellte sich schnell heraus, dass die Familie, die bereits den vorher fest vereinbarten US-Import Stephanie Watts (Anm. d. Red.: Stephanie spielt aktuell in Syracuse ihre letzte Collegesaison wird Anfang Juni zu den Disciples dazustoßen) bei sich unterbringen wird, auch ohne Weiteres Morgan ein Zuhause bieten kann. Damit stand letzten Endes alles sehr schnell bereit, um mit mal gerade drei Wochen Vorlaufzeit eben mal unverhofft eine weitere Amerikanerin in unseren Reihen begrüßen zu dürfen.
Frage: Das hört sich eher nach Märchenstunde an.
Ingo Leven: Genau so ging es mir bis ich am Ende die Bestätigung der Flugbuchung per E-Mail erhalten hatte.
Frage: Was sind nun die Ziele dieses Aufenthalts von Morgan bei den Disciples? Die Favoritenrolle in der Softball Bundesliga Süd ist Euch damit ja sicher.
Ingo Leven (lacht): Diese Rolle hat uns Rolf (Anm. d. Red.: Trainer der Karlsruhe Cougars) brav auf dem Feld nach dem Saisonauftakt gegen Karlsruhe in die Schuhe geschoben. Ganz so ist es sicherlich nicht. Viel wichtiger ist, dass alle Werferinnen in unserem Verein begreifen, welch einmalige Chance auf gutes Coaching durch eine erfahrene Pitcherin wir hier in unserer Organisation haben.
Frage: Und das wird funktionieren?
Ingo Leven: Das zeigt sich bereits jetzt. Am ersten Freitagstermin (Anm. d. Red.: Hier ist bei den Disciples Pitcher-Catcher-Training aller Softballteams angesagt) waren 14 Spielerinnen am Start. Sowohl die Catcher haben ihre Übungen nicht zu Ende gemacht als auch alle Werferinnen kamen aus dem Staunen nicht heraus als Morgan ihr Pitchingworkout anfing. Für die Catcher war es ein Augenöffner zu sehen, was der Ball mit welcher Geschwindigkeit alles machen kann und dass sich trotzdem diese Bälle ohne Weiteres fangen lassen. Und für die Werferinnen übte das Pitching von Morgan aufgrund der großen Kontrolle und den vielen Spins eine entsprechende Faszination aus. Diesen A-Ha-Effekt in den Augen der Spielerinnen zu sehen, war mehr Wert als so viele gewöhnliche Stunden Training mit uns. Gerade die neu gestartete U13-Mannschaft aber auch die vielen Pitcher und Catcher der U16 haben hiermit eine gute Idee vermittelt bekommen, wohin die Reise gehen kann. Dies wollen und werden wir systematisch nutzen, wenn es darum geht, in den nächsten Wochen mit allen Beteiligten weitere Schritte zu gehen. Erste Trainings wie ein leichtes Workout mit Nadine Bajt am Vortag ihres Spiels in Lauf mit der Bayernliga lassen erahnen, welches Potential wir in den nächsten Wochen vor uns haben.
Frage: Und nebenbei gehen die Schritte in der Bundesliga auch nach vorne?
Ingo Leven: Natürlich haben wir bezogen auf die Liga in den Spielen mit ihr als Pitcher gute Karten und genauso natürlich nehmen wir das gerne mit. Aber die fehlende Durchschlagskraft im zweiten Spiel gegen Karlsruhe als wir die Baserunner zwar generieren, aber nicht in dem Maße nach Hause bringen konnten waren ein erster Hinweis an das Team, dass wir auch im zweiten Spiel mit hoher Intensität in allen Bereichen an den Start gehen müssen.
Frage: Und wo stehen die Disciples mit dieser Ausgangslage am Ende des Jahres?
Ingo Leven: Die Antwort ist einfach: in breiter Substanz gut aufgestellt für die kommenden Jahre und besser in den Grundlagen ausgebildet, um die nächsten Schritte in Angriff zu nehmen.
Profil Morgan Melloh: http://www.pointstreak.com/baseball/player.html?playerid=149566